Vorwort
Hamburg hat zum vierten Mal eingeladen und wieder war es ein voller Erfolg. Der Regen konnte uns nicht abschrecken und die gute Laune vertreiben, auch nicht die clubinternen Verstimmungen der Hamburger Vespisti. Wir verbrachten angenehme 4 Tage, fanden ein hervorragend organisiertes Programm vor und bedanken uns bei Dieter Schulz und Manfred Golz für die Gastfreundschaft. Ein Hafenjubiläum feiern und dazu noch mit der Vespa, das ist etwas außergewöhnliches. Wir werden die Tage in bester Erinnerung behalten. Besondere Vorkommnisse gab es keine, die Ausflüge verliefen harmonisch und äußerst diszipliniert. Auch kulinarisch blieben keine Wünsche offen.
Horst Binnig
Begrüßung der Teilnehmer
Donnerstag, 8. Mai 2014
Die erste Fahrt unserer Vespa-Maritim-Tour wurde von Dieter Schulz geleitet. Ein Blick aus dem Fenster genügte: der Himmel war grau verhangen, es regnete in Strömen. Eigentlich war Start um 9 Uhr geplant, doch wir beschlossen noch abzuwarten, ob der starke Regen nachlässt. Gegen halb elf wollten wir abstimmen, ob wir es wagen, mit unseren Vespas oder doch mit dem Auto in das Verkehrsgewimmel von Hamburg in Richtung Hafencity zu fahren. Viertel nach zehn hörte es auf zu regnen und wir konnten regendicht verpackt mit unseren Rollern, gefolgt von zwei Autos, losfahren. Souverän leitete uns Dieter ohne Zwischenfälle am Hamburger Flughafen und der Außenalster vorbei in die Hafencity.
Unter einer Fußgängerbrücke beim Miniaturwunderland stellten wir unsere Vespen ab. Hier stieß Karlheinz Petersen mit seiner GS 3 zu uns. Gemeinsam gingen wir in die dortige Kaffeerösterei, um uns bei einer Tasse Kaffee aufzuwärmen. Die Speicherstadt – Kaffeerösterei in Hamburg ist in einem alten Speicherboden von 1888 und hat es sich zum Ziel gesetzt, aus den besten Kaffees der Welt in schonender Langzeitröstung ein Maximum an Genuss herauszuholen. Neben einer Vielzahl von Kaffees, von Äthiopien bis Tansania, für den täglichen Genuss, gibt es Kaffee auch in Form seltener Kaffeeraritäten, wie den Jamaica Blue Mountain Coffee, den Kopi Luwak oder den Hawai Kona Kaffee, auch unter Espresso und Espressospezialitäten und feinen Bio Kaffee konnten wir wählen – wer die Wahl hat, hat die Qual! Gleichzeitig schauten wir, umgeben von zahlreichen, teils uralten Kaffeemühlen und Röstanlagen beim Rösten und Abpacken des Kaffees zu. Es war einfach ein Genuß.
Nach einer knappen Stunde setzten wir uns wieder auf die Vespen und weiter ging die Fahrt ins Hafengelände zum Hafenmuseum. Immer wieder bekamen wir einen kurzen Dusch von oben ab – Hamburger Schietwetter. Das Hafenmuseum präsentiert eine einmalige Sammlung zum Güterumschlag im Hamburger Hafen, Hamburger Schiffbau sowie zur Schifffahrt auf der Elbe und im Hafen. Es befindet sich mitten im Freihafen auf dem letzten und denkmalgeschützten Gelände eines Kaizungenensembles, dessen Struktur vor mehr als 100 Jahren angelegt wurde und seinerzeit einen optimalen Umschlag zwischen Seeschiff und dem Landverkehr gewährleistete. Bis Ende der 60er Jahre ist hier über den Bremerkai der Südamerikaverkehr abgewickelt worden. Das Hafenmuseum hat den Südteil des Schuppen 50A und die daran liegende Freifläche von der Stiftung Hamburg Maritim gemietet. Hier wird eine Vielzahl von Exponaten gezeigt. Die Sammlung umfasst Beispiele der materiellen Kultur der letzten 100 Jahre aus Güterumschlag, Schifffahrt, Schiffbau und Meerestechnik, auch eine historische Lotsenstube konnten wir besichtigen
Natürlich fing es wieder an zu regnen, als wir im Außenbereich Fahrzeuge vom Terminalbetrieb wie die Hafenbahn, Großexponate wie eine Schiffbauhydraulikpresse und ein Stapellaufstopper sowie die erste Tsunamitonne aus Indonesien, die in Hamburg seinerzeit gebaut wurde, besichtigen wollten. An der Museumspontonanlage sind die schwimmenden Museumsobjekte festgemacht: der Schwimmkran “Saatsee” von 1917 und der Schutendampfsauger “Sauger IV” von 1909 mit ihren imposanten Dampfanlagen, die zu besonderen Anlässen wie der Hafengeburtstag in Betrieb gesetzt und vorgeführt werden.
Nun leitete uns Dieter zu einem kleinen Abstecher zum alten Elbtunnel. Der 1911 eröffnete „St. Pauli- Elbtunnel“ unterquert die Norderelbe auf einer Länge von 426,5 Metern, er galt bei seiner Eröffnung als technische Sensation, seit 2003 steht er unter Denkmalschutz. Für den Tunnel wurden keine Zufahrtsrampen angelegt. Die Fahrzeuge werden stattdessen mit Aufzügen – je Uferseite vier Schächte mit je einem Fahrkorb – befördert. An den gefliesten Wänden der Tunnelröhren sind in regelmäßigen Abstand kleine Steinzeug-Reliefs eingefügt. Noch heute ist der Alte Elbtunnel für Fußgänger und Radfahrer kostenfrei und zeitlich unbeschränkt begehbar, die Benutzung mit Motorfahrzeugen ist kostenpflichtig und auf festgelegten Zeiten beschränkt.
Nach einem Blick zu den auf der gegenüberliegenden Seite der Elbe gelegenen Landungsbrücken fuhren wir bei trockenem Wetter weiter. Durch dicksten Berufsverkehr im Hafengebiet leitete uns Dieter schließlich auf eine wunderschöne Nebenstrecke. Ohne Stau am Deich der Elbe entlang ging die Fahrt durch Moorburg nach Neuenfelde zur evangelisch-lutherische Pfarrkirche St. Pankratius. Am Parkplatz stand zufällig der Leiter der dortigen Pfarrjugend.
Er war so begeistert von unseren Rollern und unserer Tour, dass er ganz spontan uns über die Geschichte dieser unscheinbaren kleinen Kirche berichtete: Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges begann eine wirtschaftliche Blütezeit in Neuenfelde, die dazu führte, dass die ehemalige kleine Kirche durch eine neue ersetzt werden sollte. So wurde diese von 1682 bis 1687 erbaut. Ihre Innenausstattung ist ein ausgezeichnetes Beispiel für den ländlichen Kirchenbarock in Norddeutschland. In der Kirche ist der Orgelbaumeister Arp Schnitger beigesetzt. An ihn erinnert eine Bodenplatte und sein erhaltenes Kirchengestühl neben dem Kanzelkorb. Darüber hinaus ist die Kirche wegen ihrer von Arp Schnitger erbauten Orgel sowie der bis 1731 vollendeten, einheitlichen barocken Innenausstattung – u, a. mit Norddeutschlands ältestem Kanzelaltar und einer Deckenmalerei aus dem Jahre 1863 – sehenswert. Für den interessanten Vortrag des jungen Mannes bedankten wir uns mit einem dreifach „ Vespa Roll“ und gingen nun zur Besichtigung in die Kirche. Wir waren wirklich überrascht, welches Kleinod sich darin verbirgt.
Im, wie soll es auch anders sein, beginnenden Regen starteten wir zu unserer letzten Station des Tages. Zuerst ging es ohne Probleme, dann aber fuhren wir im stockenden Verkehr im Schritttempo Richtung Wilhelmsburg, einem Stadtteil, der auf der größten Flussinsel Europas liegt. Sie beinhaltet die Stadtteile Moorwerder, Kirchdorf, Wilhelmsburg, Georgswerder und Veddel. Gott sei Dank hörte der Nieselregen bald wieder auf.
Im Garten von Bärbel und Manfred Henning wurden wir von den beiden, tatkräftig unterstützt von ihren Nachbarn, mit heißem Kaffee herzlich willkommen geheißen. Der Grill war schon angeheizt. Manni grillte Bratwürste, Puten- und Nackensteaks in rauen Mengen, wunderbare Pommes und mehrere Sorten Salat sowie zweierlei Desserts warteten darauf, von uns verspeist zu werden. Zum Selbstkostenpreis konnten wir essen und trinken soviel wir wollten. In Mannis Doppelgarage – liebevoll dekoriert mit Vespaschildern – saßen wir gemütlich zusammen und ließen es uns gutgehen. Wilfried Kröger und Jürgen Schwarz schauten auch kurz vorbei.
Liebe Bärbel, lieber Manni, habt recht herzlichen Dank für Eure Einladung und Eurer super Bewirtung, wir fühlten uns sehr wohl bei Euch. Der Dank geht natürlich auch an Eure Nachbarn.
Frisch gestärkt und gut erholt fuhren wir gegen 20 Uhr im strömenden Regen Richtung Quickborn ab. Dieter führte uns wieder sicher durch Hamburg hindurch bis zu unserem Hotel. Trotz profihafter Regenkleidung kamen wir alle völlig durchnässt und durchgefroren, aber ohne Aus- bzw. Unfälle dort an.
Lieber Dieter, lieber Manfred und lieber Wilfried, vielen Dank für die tolle Organisation der Vespa-Maritim-Tour. Trotz des schlechten Wetters hatten wir viel Spaß und immer gute Laune.
Ihr habt uns immer sicher zu interessanten Sehenswürdigkeiten in Hamburg und Umgebung geführt. Ein Dank geht auch an eure Ehefrauen, die euch während der Planung und Durchführung der Tour mit Rat und Tat zur Seite standen. Wir hoffen, es war nicht die letzte von euch organisierte Veranstaltung.
Angelika Pfeifer
Freitag, 9. Mai 2014 (Wilfried Kröger-Tag)
Wir liegen noch im kuscheligen Bett. Da verheißt der Wettervogel des NDR kühle Temperaturen, starke bis stürmische Winde und ergiebige Regenfälle in und um Hamburg. Bei dem Schmuddelwetter jagt man normalerweise noch keinen Hund vor die Tür. Aber wir beißen die Zähne zusammen, ziehen uns nach dem Frühstück warme und wasserdichte Kleidung an und begeben uns pünktlich zum überdachten Rollerparkplatz des Hotels.
„Des du ich mir net ahn, bei demm Wedda uffem Rolla, ich fa midde Fraue un middem Deddlef im Audo!“: so Ulf, während er seinen Blick erst zum trüben grauen Himmel und dann zu seiner fein säuberlichen PX richtet.
Ein sonnengelber Friesennerz mit Regenhose im gleichen Farbton und darunter ein grüner Gummistiefel tritt durch die Tür. Aus dem Helm tönt es energisch: „Icke fahr heute auf j e d e n Fall mit dem Roller mit. Ich hab jestern schon den janzen Tach bei den Frauen und Ulf im Auto jesessen!“ Günther Rietz sprach`s und wendet sich seiner 4-gängigen Touren zu.
Horst ist überglücklich. Ihm bleibt die Autofahrt auch erspart. Manfred hat ihm freundlicherweise eine grünbackige GS zur Verfügung gestellt.
Dass Vespas nicht nur über den Kickstarter gestartet werden können, beweist uns Dieter beim Anschieben seiner roten PX im Nieselregen. Irgendetwas scheint ihm schwer im Magen zu liegen. Der orangefarbene Regenoverall zählt offensichtlich nicht zu seiner Lieblingsbekleidung.
Gegen neun Uhr taucht Wilfried auf, gut gelaunt, als Wanderpaddler mit allen Wassern gewaschen. Er begrüßt all diejenigen, in denen die Leidenschaft für das Vespafahren so sehr brennt, dass sie trotz der widrigen Witterungsbedingungen an seiner Tour teilnehmen. Er ist heute unser„Roadcaptain“ und fährt mit seiner wunderschönen GS vornweg.
Dahinter platziert sich Max. Von Natur aus nicht zu übersehen, stellt er sich mit seiner grauen 200-er quer zur Fahrbahn in die Kreuzungen. Entschlossen stoppt er die Autos, damit wir stets zügig passieren können. Herzlichen Dank!!
Hans-Martin macht mit seinem weißen PX-Gespann den Schlussmann.
Dazwischen tummeln sich all die anderen wetterfest verpackten Fahrer/innen auf ihren leicht gealterten „Diven“.
An der Tankstelle in Quickborn wird noch einmal ordentlich nachgezapft, weil uns angesagt wurde, dass auf der Route keine Tankstellen lägen.
Mit äußerster Vorsicht, langsam und bedacht folgen wir nun Wilfried über regennasse, wenig kurvige Straßen nach Wedel. Das liegt im Süden Schleswig-Holsteins, direkt vor den Toren der Metropole Hamburg, in einem tellerebenen, ausgesprochenen Agrarland.
Wir durchqueren kleinere Laubwälder und kommen vorbei an etlichen Gärtnereien und Baumschulen. Während wir uns vom norddeutschen Klima heute nicht unbedingt verwöhnt fühlen, wirken sich die ergiebigen Niederschläge in Zusammenhang mit günstigen Boden- und Klimabedingungen wenigstens doch sehr positiv auf die Pflanzenzucht aus. Reihenweise werden hier Bäume, Sträucher und Rosen aufgeschult und verschult.
Um die Bauernhöfe und Reiterhöfe liegen Koppeln, auf denen rassige Pferde mit ihren lebhaften Fohlen den Auslauf genießen und saftig grüne Weiden, wo rot- und schwarzbunte Rindviehherden grasen.
Viele Wiesen sind übersät mit hellen, fast weißen Punkten. Die sind nicht etwa krank. Das sind keine Pusteln. Nein, das sind Hunderte von Schafen, die zu den zahlreichen Schafzuchtbetrieben gehören. Eingepackt in weiße, weiche Wolle, trotzen sie jeder Witterung und lassen sich die frischen Frühjahrstriebe des Grases schmecken.
Die jungen, sattgrünen, noch elastischen Halme der Getreidefelder wiegen sich sanft im Wind.
Zwischen all den unterschiedlichen Grüntönen stechen immer wieder Karos von leuchtend gelben Rapsfeldern hervor. Der schwere aufdringliche Duft kann einem beim Vorbeifahren schon mal den Atem stocken lassen.
Bevor wir Wedel erreichen macht der Regen mal ´ne Pause. Als wir unsere Roller parken, lugt sogar die Sonne ganz zögerlich zwischen den grauen Wolken hervor.
Wedel ist wegen seiner Schiffsbegrüßungsanlage „Willkomm-Höft“ weltbekannt. Sie ist sogar in Seekarten eingetragen. Hier werden alle Schiffe, die den Hamburger Hafen anlaufen oder verlassen, feierlich begrüßt oder verabschiedet.
Gegenüber dem „Schulauer Fährhaus“ gelangen wir über einen breiten Steg auf einen Ponton mit überdachten Sitzplätzen. Der liegt direkt am Elbestrand. Schaut man elbaufwärts fällt der Blick hinein in den Hamburger Hafen mit seinen Containerterminals und grotesken Kränen. Und da ist auch schon ein mächtiger F r a c h t e r i n S i c h t ! ! Auf alle Fälle hat er mehr als 500 BRT!! Denn aus den großen Lautsprechern schallt zuerst die Nationalhymne seines Herkunftslandes und danach spricht ein Begrüßungskapitän in deutscher und in englischer Sprache: “Hamburg wünscht ihnen Gute Reise! Wir hoffen auf ein baldiges Wiedersehen in unserem Hafen. Gute Reise!“. Das Schiff antwortet daraufhin durch Dippen seiner Fahne und mit einem nicht zu überhörenden, laaangen, tiiiefen Ton aus dem Nebelhorn. Es gleitet langsam vorbei, elbabwärts, wo in ca. 100 km Entfernung bei Cuxhafen die Nordsee wartet.
Kleinere Schiffe werden lediglich durch das Dippen der Flagge begrüßt oder verabschiedet.
Weiter geht unsere Entdeckungsreise über Elmshorn an die Elbe. Auf einer Deichkrone legen wie einen kurzen Stopp ein. Hier fließt der Strom auf einer schon beträchtlichen Breite träge dahin. Ein behäbiger Containerriese, beladen mit ca. 14 000 (so Wilfried) bunten Metallboxen, zieht langsam und lautlos dem Hamburger Hafen entgegen.
Am Elbufer schimmert hell das Gefieder von tausenden von einheimischen Graugänsen, die sich aufgeregt laut schnatternd zum Mittagessen niedergelassen haben. Hier rasten im frühen Frühjahr auch große Schwärme von Zugvögeln auf ihrem langen Weg von ihren Überwinterungsquartieren im Süden zu ihren Brutgebieten im Norden Europas.
Man hat künstliche Erhöhungen angelegt. Dort können die Pferde Schutz vor dem Wasser suchen und ausharren bis zur nächsten Ebbe, wenn eine besonders hohe Flut die Weiden überschwemmen sollte.
Die Unterelbe ist dem Einfluss des Meeres ausgesetzt. Deshalb erläutert Wilfried uns Landratten noch geduldig den Begriff „Tiden“. Damit sind die Gezeiten Ebbe (=Tidenniedrigwasser oder Wasser weg) und Flut (=Tidenhochwasser oder Wasser da) gemeint. Der Tidenhub ist der Höhenunterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser, und der beträgt hier an der Elbe ca. 3,60 m.
Ohne den Gezeitenkalender auswendig lernen zu müssen, kann man aber auch ganz leicht an den Tonnen in der Elbe die Fließrichtung des Wassers erkennen: Sind die Tonnen nach links geneigt, dann fließt das Wasser nach rechts Richtung Nordsee ab (=> es wird Ebbe). Sind die Tonnen nach rechts geneigt, dann fließt das Wasser nach links Richtung Hamburg (=> die Flut kommt). Eigentlich ganz einfach. Besonders wichtig ist das u. a. für die Paddler. Die können sich auf der Elbe nur mit der Strömung vorwärts bewegen. Insofern müssen sie ihre Aktivitäten den Tiden anpassen, ganz im Gegensatz zum Vespafahren: Das geht immer!
Wir setzen die Tour nach Kollmar fort.
Grad wagt sich für wenige Augenblicke die Sonne hervor, da wird Fred, echt schick in seinem knielangen schwarzen Regenmantel, auch schon übermütig. Gekonnt nimmt er beide Hände vom Lenker seiner gelben Rallye und führt uns stolz seine akrobatischen Vespa-Freihand-Fahrkünste vor. Wir sind beeindruckt!!
Ein schmales Straßenband windet sich kilometerweit hinterm Deich entlang. Wie hinter den Deich geduckt reihen sich zwischen dem Weg und dem Damm unzählige kleine ein- bis eineinhalbstöckige schmucke Backsteinhäuschen hintereinander. Manche tragen Reetdächer, die roten Klinker sind hell verfugt, viele Fensterrahmen und Fensterläden leuchten in Weiß. In den von den Deichbewohnern liebevoll gepflegten Vorgärten, oft mit weißen Einzäunungen, blühen Rhododendren, Flieder, andere Ziergehölze und Frühlingsblumen um die Wette. Ein Blütenmeer in vielen starken Farben und Formen. Ein bezaubernder Anblick.
In Kollmar angekommen stellen wir unsere Vespen vor einem 200 Jahre alten Strohdach-Bauernhaus ab. Es ist das Domizil des „Elmshorner Wanderpaddlervereines“ und wird von den Kanuten als Bootshaus genutzt. Die Ehefrau von Wilfried und seine Schwiegertochter haben uns dort zu einem kleinen Imbiss eingeladen. In dem großen Vorraum werfen wir schnell unsere dicken Klamotten ab und nehmen in der originalbelassenen gemütlichen Gaststube des Hauses Platz. Während wir feine Fisch- und Käsebrötchen verzehren und dazu heißen Tee und Kaffee trinken, macht uns Wilfried auf eine Besonderheit des Zimmers aufmerksam. In der noch ursprünglichen Innenwand des Raumes befinden sich die ausziehbaren kurzen Betten der früheren Eigentümer. Hierin schliefen sie nicht liegend, sondern halb sitzend, mehr oder weniger in Habacht-Stellung, aus lauter Furcht, das ansteigende Wasser der Elbe könnte sie im Schlaf überraschen.
Als Vereinsvorsitzender hat Wilfried das Haus 15 Jahre lang nach allen Regeln der Kunst gewartet. Er kennt es in- und auswendig. Nach dem Essen führt er uns über eine schmale Stiege hinauf unter das Reetdach. Dort werden auf zwei Geschossen die Boote der Vereinsmitglieder gelagert.
Reetgras war einst das billigste Dachmaterial, das zudem jeder selbst ernten konnte. Man findet es an Ufern und in Sumpfgebieten. Es wächst immer wieder nach und ist durch seinen speziellen Aufbau sehr stabil und besonders lange haltbar.
Angefertigt in alter Handwerkskunst ruht auf diesem Gebäude die unterste Reetschicht, noch mit Nähtechnik verarbeitet, zum Teil schon 200 Jahre und schützte so Generationen von Hausbewohnern vor Nässe, Kälte, Hitze, Sturm und Lärm .
Angesichts der wolkenbruchartigen Regenfälle der letzten Tage können wir kaum glauben, dass es unter dem Schilfrohrdach so knochentrocken ist. Jeder stellt sich die Frage, wie das mit so einem relativ weichen Naturbaustoff möglich ist. Aufklärung erfahren wir von Wilfried. Er krempelt seinen Pullover hoch und bohrt seinen Unterarm bis zum Ellenbogen in das Dach, um uns dessen Dicke zu veranschaulichen. Nur die äußerste Schicht der luftgefüllten Grashalme ist nach einem Regen nass und so schwer wie ein Misthaufen. Sind die Halme von guter Qualität und in der richtigen Richtung, also halmabwärts, auf das Dach gelegt, dann kann das Wasser je nach Dachneigung mehr oder weniger schnell von Halm zu Halm, ohne Regenrinne, direkt auf den Boden tropfen. Wenn dann der Wind durch das Gras pfeift, trocknet das Material wieder ganz schnell, und der Speicherraum wird zudem noch belüftet.
Mit Reet ist man also stets gut bedacht.
Der einzige Nachteil eines Schilfrohrdaches ist nach wie vor die Brandgefahr. Binnen 30 Minuten kann die Grasbedachung ein Raub der Flammen werden. Deshalb muss sie, neben verschiedenen anderen Auflagen, z.B. regelmäßig von Spinnweben befreit werden. Klingt banal, ist aber überlebenswichtig für Mensch und Haus.
Wir verlassen das „Reethus“ durch eine Gaube. Wilfried öffnet eine zweiflügelige Holztür und geleitet uns über einen kurzen Brückensteg direkt an den Deich. Auf diesem Weg werden auch die Boote auf den Dachboden transportiert. Vor der dramatischen Flut 1962 endete der Steg noch auf der Deichkrone. Danach wurden alle Deiche um einige Meter erhöht.
Zur einen Seite schweift unser Blick in das weite Marschland, das jetzt während der Rapsblüte besonders reizvoll daliegt.
Wir spazieren zur anderen Seite des Deiches. Unterwegs findet Wilfried noch Treibgut vom letzten Hochwasser. Leicht verärgert erklärt er uns, wie wichtig es ist, das Treibsel möglichst zeitnah zu beseitigen, da sonst die Graspflanzen darunter absterben und die Deiche ihre Festigkeit verlieren können, was wiederum schwerwiegende Folgen für das vom Hochwasser bedrohte Hinterland hätte.
Wir laufen über den Vereinsplatz der Paddler unmittelbar am Elbstrand vorbei. Weil Ebbe ist, ist der Strand besonders breit. Laut Wilfried verläuft die Fahrrinne unweit des Ufers, so dass man den vorbeischippernden Kähnen hier besonders nah sein kann.
Durch ein Deichtor, das bei Hochwasser mit Platten verschlossen und mit Kuhmist verdichtet wird, bringt uns Wilfried zurück ins Bootshaus. Dabei queren wir noch einen Siel. Er dient der Entwässerung der dahinter liegenden Elbmarschen und besitzt einen automatischen Hochwasserverschlussmechanismus.
Wir richten uns für die Weiterfahrt.
Die Ausführungen von Wilfried waren so interessant, dass es unserer Aufmerksamkeit entgangen ist, was sich da zwischenzeitlich am Himmel zusammengebraut hat. Bedrohlich dunkle Wolken sind aufgezogen und eine steife Brise weht. Just in dem Moment als wir mit unseren Rollern starten wollen, zucken Blitze am schwarzen Firmament. Es donnert und kracht, der Himmel öffnet erbarmungslos seine Schleusen. Wir lassen alles stehen und liegen und flüchten uns vor dem Sturm, der uns den Regen von der Seite ins Gesicht peitscht, ins Bootshaus zurück und warten dort auf Petrus` Gnade.
Die Wetterlage entspannt sich relativ schnell. Der Wind hat sich wieder gelegt. Alle Maschinen springen reibungslos an. Der Regen soll aber von jetzt an unser ständiger Begleiter sein. Permanent prasselt er auf uns nieder. So geht die Fahrt, stets mit einer Handbreit Wasser unterm Vespareifen, weiter nach Glückstadt.
Hinter Kollmar verbleiben wir noch eine ganze Weile direkt hinterm Deich. Hier wimmelt es nur so von Schafen.
Manche bleiben, unbeeindruckt von uns, regungslos liegen.
Andere drehen neugierig ihren schwarzen Kopf in unsere Richtung, lassen sich aber beim Wiederkäuen nicht stören.
Wieder andere haben sich auf die Straße verirrt. Erschrocken vom Vespageknatter flüchten sie sich ganz aufgeregt blökend und mit Luftsprüngen zurück zu ihrer Herde auf den Deich.
Die Schafe sind aber nicht nur zur Freude der Touristen da, sondern haben seit der Sturmflut im Jahr 1962, als viele Deiche brachen, eine ganz spezielle Aufgabe im Zusammenhang mit der Hochwasserbekämpfung. Als lebende Rasenmäher halten sie das Gras ganz kurz. Die Pflanzen reagieren darauf, indem sie größere Wurzeln bilden und sich noch besser im Boden verankern. Mit ihren Klauen treten die Schafe die Grasnarbe noch zusätzlich fest. Außerdem treten sie die Mauselöcher und Maulwurfgänge zu. All das stabilisiert die Deiche, weil Wind und Wasser kaum noch Boden abtragen können.
Auch im strömenden Regen verliert Wilfried nicht den Kurs als wir uns Glückstadt nähern. An dem langen Autostau vor der Fähre lotst er uns geschickt vorbei in den Fährhafen. Wir lassen unsere „Guten Stücke“ ungeschützt im Nassen auf einem Bürgersteig stehen.
Da es eine maritime Vespatour ist, steigen wir auf die nächste Autofähre und tuckern gemütlich ans gegenüberliegende niedersächsische Elbufer nach Wischhafen und wieder zurück. Hier sind Schleswig-Holstein und Niedersachsen durch eine fünf Kilometer breite Elbe voneinander getrennt.
Wetterbedingt verbringen wir die meiste Zeit unter Deck. Dort ist die Luft zwar zum Schneiden dick, aber warm und trocken ist es. Wolf, der heute ganz stolz seine knallrote Original- Vespa- Vintage- Regenschlupfjacke trägt, lässt sich nicht lumpen und spendiert zum Kaffee noch Vanillekekse. Lecker!!!
Nach gut einer Stunde ist unsere kleine Elbkreuzfahrt leider schon beendet. Ungern steige ich noch einmal auf den Roller. Es regnet Bindfäden. Alles ist triefend nass. Das Fahren macht nicht wirklich Spaß. Dicke Tropfen auf Visieren und Windschutzscheiben erschweren uns die Sicht. Der Wind zerrt an uns. Mal pustet er von vorn, mal von der Seite. Jetzt bloß keine Abstecher mehr, sonst wird gemeutert. Aber Wilfried navigiert uns souverän und auf kürzestem Wege nach Barmstedt ins Restaurant „Zum Bootssteg“, idyllisch amRantzauer See gelegen.
Pünktlich zur Ankunft lässt der Regen nach. Familie Bernd Penns empfängt uns ganz herzlich in ihrem Haus und führt uns in einen großen, modernen Speiseraum.
Wir entledigen uns der klitschenassen Schutzkleidung und lassen uns erst einmal nieder, um uns, zerzauselt wie wir sind, ein wenig zu sammeln nach der anstrengenden Fahrt in Wind und Wetter.
Inzwischen ist auch schon das Holsteiner Bratkartoffelbuffet für uns hergerichtet. Zu den raffiniert zubereiteten Bratkartoffeln gibt es vielfältige hausgemachte Beilagen zu probieren. Alles schmeckt so gut, dass wir ständig zum Buffet unterwegs sind. Am Ende sind wir alle satt und zufrieden.
Pünktlich zur Abfahrt setzt der Regen wieder ein.
Nur noch wenige Kilometer liegen vor uns. Volle Pulle voraus, mit Wilfried am Ruder, laufen wir gegen 21.00 Uhr sicher in unseren Heimathafen Quickborn im Hotel „Seegarten“ ein. Dank der guten Ausrüstung, dem umsichtigen Fahrverhalten aller Teilnehmer und nicht zuletzt dank der hervorragenden Organisation durch Dieter Schulz, Manfred Golz und Wilfried Kröger ging die Ausfahrt trotz erschwerender Wetterverhältnisse ohne Zwischenfälle zu Ende.
Einigen von uns war das immer noch nicht genug und so treffen wir uns noch im Frühstücksraum des Hotels, um den Abend mit einem „orntlichen“ Bier ausklingen zu lassen. Gespannt hören wir Hans-Martin beim Spinnen von Seemannsgarn zu, war er doch von 1956 – 1962 bei der Deutschen Marine verpflichtet. Nach seiner Ausbildung zum Marinesoldat ist er dreieinhalb Jahre lang zur See gefahren. Dabei hat er auf verschiedenen Minensuchbooten als Smutje seine Mannschaftskameraden bekocht. Von seinen Heimathäfen in Kiel, Flensburg, Neustadt/Holstein oder Bremerhafen stach er immer wieder aufs Neue in See. Wochen- und monatelang fern der Heimat, durchkreuzte er Nord- und Ostsee, den Atlantik und die Karibik. In zahllosen fremdländischen Häfen ging sein Schiff dabei vor Anker. So lernte er schon als ganz junger Mann Nordamerika, Haiti, Puerto Rico und die Azoren, um nur einige Stationen zu erwähnen, kennen. Kein Wunder, dass der „alte Seebär“ allerhand kuriose Geschichten aus seinem abenteuerlichen Matrosenleben zu erzählen weiß.
Zu vorgerückter Stunde steuern wir dann mit mehr oder weniger Seegang unsere Kojen an.
Vespa Ahoi!!! Heidi Altenhofer
Samstag, 10. Mai 2014
Nachdem wir gestern bei Abfahrt vom Clubhaus der Elmshorner Wanderpaddler erfahren haben, daß ein „kleiner Wischer“ (O-Ton Wilfried Kröger) ein knapp 15-minütiger Platzregen ist, bei dem es wie aus Kübeln schüttet und gefühlte 300 Liter Wasser auf den Quadratmeter herunter prasseln, schickte die Sonne heute Morgen doch tatsächlich ein paar wärmende Strahlen in den Frühstücksraum. Und, um es vorweg zu nehmen, es blieb zumindest bis zum frühen Nachmittag trocken. Anläßlich des 825-jährigen Hafenjubiläums stand der Tag zur freien Verfügung und wurde dementsprechend individuell genutzt. Einziger gemeinsamer Programmpunkt auf der Agenda von Dieter und Manfred war das große Jubiläumsfeuerwerk am Abend. Dankenswerter Weise hatten die beiden dafür die Feuerwerks-Begleitfahrt auf dem Fahrgastschiff MS „River Star“ vorgesehen, die auch von allen Tourteilnehmern vorab gebucht worden war.
Nach den beiden vorangegangenen Vespa-Tourtagen bei nasskaltem Wetter, kam dieser Roller-Ruhetag niemandem wirklich ungelegen. Es konnte ganz gemütlich gefrühstückt werden. Dabei sprach man sich untereinander darüber ab, wie man den Tag gestalten wollte, wer mit wem gemeinsam startet und wann. Dementsprechend ging es in kleineren Gruppen und zu unterschiedlichen Zeiten im Hamburger Verkehrsverbund (HVV) mit der S-Bahn zum Hafen oder in die City. Dieter und Manfred hatten uns vorab alle dazu nötigen Infos gegeben. So klappten die Hinfahrt und später auch die nächtliche Rückfahrt völlig problemlos.
Vereinzelt wurde nach dem Frühstück schon der ein oder andere Roller für die Heimfahrt verladen. Beim Verladen sprach ich mit Günter Rietz über die Anbringung von Plaketten am Beinschild der Vespa. Er gab mir den Tipp, hierfür Silikonkleber zu verwenden. Das erspart Bohrungen durchs Blech, ist dauerhaft haltbar und kann sogar im Bedarfsfall – wenn man es richtig und behutsam angeht – mit Silikonentferner ohne Rückstände und ohne Schäden am Lack rückgängig gemacht werden.
Erst gegen Mittag sind Rita und ich zu unserem Bummel in die City gestartet. So gegen 18:30 Uhr sind wir dann runter in die Hafencity, vorbei am Überseequartier – dort legen die großen Kreuzfahrtschiffe direkt neben dem Riesenrad an -, weiter zu unserem optisch vielleicht beeindruckendsten nationalen Steuerdesaster, der Elbphilharmonie. Von ursprünglich avisierten 77 Mio. Euro haben sich die Kosten hierfür bisher auf mehr als 770 Mio. Euro immerhin verzehnfacht.
Pünktlich um 20:30 Uhr trafen wir uns dann alle an der Anlegestelle der MS „River Star“. Wie wir dort hörten waren neben dem Hafenfest u. a. das Wahrzeichen Hamburgs, die St. Michaelis Kirche – im Volksmund schlicht und einfach „Michel“ genannt -, das Rathaus, die Binnenalster mit dem Alsterhaus, die Einkaufsmeilen Mönckebergstraße und Neuer Wall, sowie die Kaffeerösterei und das Gewürzmuseum besucht worden.
Es hat wohl an der Nähe zur Elbphilharmonie gelegen, dass sich unsere Gruppe an der Anlegestelle des Fahrgastschiffes ebenfalls mindestens verzehnfacht hatte. Nur haben sich die anderen um uns herum nicht als Vespisti zu erkennen gegeben. Jedenfalls waren mit Sicherheit einige Piraten darunter. Das heftige Gedränge beim Einchecken auf der MS „River Star“ glich eher dem Entern eines Schiffes als einem geordneten an Bord gehen. Dank dem engagierten Einsatz eines oder mehrerer VVCDler gelang es dennoch, für uns alle zusammenhängende Tische und Sitzplätze auf der Galerie des Innenraumes zu ergattern. Einmal an Bord angekommen und auf der Galerie Platz genommen, war die Atmosphäre des Schiffes sofort ausgesprochen angenehm. Die Feuerwerks-Begleitfahrt startete um 21:00 Uhr und war zunächst eine sehr informative etwa 1 1/4-stündige Hafenrundfahrt. Und das bei einer Hafen-, Boots- und Schiffsbeleuchtung, die man so sicher nur zu besonderen Anlässen geboten bekommt. Echt lohnenswert.
Um 22:30 Uhr war es dann soweit: Das großartige Jubiläumsfeuerwerk begann. Da es gerade nicht regnete standen nahezu alle Fahrgäste an Deck und konnten das Feuerwerk direkt neben zwei voll beleuchteten Aida-Kreuzfahrtschiffen bestaunen. Unmittelbar nach dem Feuerwerk stimmten die Kapitäne aller versammelten Schiffe und Boote gleichzeitig ein ‚Hupkonzert‘ an, als unüberhörbares, weithin vernehmbares akustisches Dankeschön. Für uns südlicheren VVCDler war es ein tendenziell eher einmaliges, zumindest aber selteneres Erlebnis. Vielen Dank, euch Männern von der Waterkant.
Detlev Hirche
Sonntag, 11. Mai 2014
Mitfahrgelegenheit auf einem Traditionssegler
Gefrühstückt wurde in aller Herrgottsfrühe, schließlich wollten wir pünktlich um 9 Uhr 30 in der Hafencity sein, wo uns der russische Kapitän zu einem kleinen Segeltörn im Hamburger Hafen erwartete. Da nicht alle von uns das Wasser von oben und unten gleichzeitig haben wollten, teilte sich die Gruppe auf. Die Landratten entschieden sich für eine Tour durch Schleswig- Holstein zum Nord- Ostsee- Kanal, wegen des Nieselregens entschloss man sich den Ausflug mit dem Auto zu machen. Wir, die Wasserraten, hofften wieder einmal auf Wetterbesserung und so fuhren wir auf zwei Rädern von Qickborn aus quer durch Hamburg zum Hafen. Es war ein Sonntagmorgen, der Verkehr ließ eine zügige Fahrt zu und so erreichten wir den von Dieter Schulz gut ausgesuchten Parkplatz, wenige Schritte vom Segler entfernt. Der Nieselregen unterwegs störte uns kaum, die Gruppe fuhr diszipliniert, Schienen und Kopfsteinpflaster konnten uns nicht aus der Ruhe bringen. Schon am Tag zuvor konnten die Großsegler bestaunt werden, die Alexander von Humboldt II, das polnische Segelschulschiff Dar Mlodziezy und der holländische Dreimastsegler Gulden Leeuw. Aber auch sechs große Kreuzfahrtschiffe waren waren beim Hafengeburtstag zugegen. Wir begnügten uns mit der rustikalen, russischen Fregatte „Shtandart“, ein Nachbau aus dem Jahr 1999 aus Eichen- und Kiefernholz, alles aus russischen Wäldern. Der Segler soll dem Original aus dem Jahr 1703 bis ins kleinste Detail ähneln und wird seinem hohen, musealen Anspruch durchaus gerecht. Die Shtandart wird der Urzelle der zaristisch- russischen Marine zugerechnet. Zuerst gab es zur Begrüßung ein Getränk nach Wunsch, vom später versprochenen russischen Schiffseintopf war leider weit und breit nichts zu sehen. Der Kapitän begrüßte uns in englischer Sprache, eine junge Piratin war für die Übersetzung zuständig. Das Wetter im Hafen war kalt, es nieselte noch immer und der Wind blies von Nord- West. Die Besatzung bestand ausschließlich aus jungen Leuten beiderlei Geschlechts, alle waren wie Piraten gekleidet, vermutlich waren neben den vielen Russen auch Dänen dabei, denn die Fregatte hat ihren Heimathafen in Dänemark. Um kurz vor 10 Uhr hieß es Leinen los und langsam nahm der Segler Fahrt auf in Richtung Blankenese. Der Wind wurde plötzlich stärker, nachdem wir den weiter außen liegenden Bereich des Hafens erreichten. Die ersten Segel wurden gesetzt. Für uns Landratten war das alles ziemlich ungemütlich, denn der Wind trieb den Regen auch unter die gespannten Zeltplanen und ich suchte mit Elisabeth im Rumpf des Schiffs bei einer Tasse Kaffee Zuflucht. Die Einladung „Mitsegeln auf der Fregatte durfte man ohne weiteres wörtlich nehmen, denn Klaus Altenhofer und Wolf Rüdiger Müller begaben sich auf der Rückfahrt angeleint in die Segel. Plötzlich kam über Lautsprecher die Durchsage, dass man eine alte Bordkanone scharfmachen würde. Zwei Russen stopften das Rohr, danach setzte man den Zünder ein aber bis zur Explosion vergingen Minuten. Tatsächlich kam mit Verzögerung der erwartete laute Knall, viel Qualm und die Aufregung der Zuschauer war groß. Natürlich hatte man auf die Eisenkugel verzichtet.
Gegen 13 Uhr 30 waren wir wieder zurück an der Anlegestelle. Die anschließende Rollertour in nordöstlicher Richtung, in einem weiten Bogen um Hamburg herum zur Alsterquelle, fiel leider dem Wetter zum Opfer. Die Gruppe entschied sich zur direkten Rückfahrt ins Hotel und wollte sich auf das Abendessen beim Griechen konzentrieren.
Horst Binnig
Sonntag, 11. Mai 2014
Als mir ein vertrautes ..Rääeengdengdengdeng.. ins Ohr drang, wurde ich wach, schaute sofort aus dem Fenster und bekam gerade noch mit, wie sich die Gruppe unse-
rer Segelschifffahrer, angeführt von Dieter Schulz, mit ihren Vespen auf den Weg zum Hafen machte. Respekt, dachte ich! Diese Clubkollegen und ihre Liebsten hatten
nicht nur den Kaffee schon auf; nein, sie saßen auch um kurz nach 08:00 Uhr schon warm verpackt auf ihren Rollern. Junge, Junge, da war die Nacht aber ziemlich kurz.
Für uns Teilnehmer an der Tour durch Schleswig-Holstein hin zum Nord-Ostsee-Kanal hatte Manfred Golz tags zuvor 10:00 Uhr als Startzeit ausgerufen. Der Vorteil war also klar auf unserer Seite: Mehr Schlaf und trotzdem ausreichend Zeit für’s Frühstück. Obwohl die Hälfte von uns schon auf Achse war, war der Frühstücksraum gut besucht. Gottseidank gab es diesmal keine Anzeichen dafür, daß unter den anderen Gästen Piraten waren. Das Frühstücksbuffet blieb also gedrängefrei.
Während des Frühstücks hatten sich Fred Meier und Gattin sowie Ulf Scholz schon von allen verabschiedet. Fred und Helga traten die Heimreise an, Ulf fuhr
nicht direkt zurück. Er startete nach Gießen, um die hessische Landesgartenschau zu besuchen. Unsere Abfahrt verzögerte sich ein wenig. In Anbetracht der Witterung sowie insbesondere der Wettervorhersage für diesen Tag – ein SONNtag war es wirklich nur kalendarisch – hatte sich Manfred Golz dazu entschieden, die Vespen stehen zu lassen und statt dessen mit Autos zu fahren. Das wiederum hatten aber nicht alle im Vorfeld mitbekommen. So haben sich die startbereiten Vespisti flott wieder umgezogen. Auf drei PKW verteilt fuhren dann Ursula u. Manfred Golz, Günter Rietz, Gertrud u. Peter Schöneberg, Regina Ulrich u. Hans-Martin Becking sowie Rita u. ich stets schön im 3er-Konvoi. Im Holsteiner Auenland, der grünen Mitte Holsteins, war die Kirche Stellau in Wrist unser erstes Ziel. Schon im Jahr 1201 von Rittern erbaut, handelt es sich heute um ein Gebäudeensemble, das im Laufe der Jahrhunderte um ein altes, reetgedecktes Pastorat, ein neues Pastorat sowie einen freistehenden Glockenstuhl mit verbret-
tertem Gehäuse ergänzt wurde. Die Kirche selbst war leider verschlossen. Schlüssel holen u. wegbringen hät-ten uns zu viel Zeit gekostet. Also haben wir auf einen
Blick ins Innere verzichtet. Via Wikipedia habe ich das zwischenzeitlich nachgeholt.
Gleich neben der Kirche Stellau haben wir uns das großzügig eingedeichte Flußbett der Stör angeschaut. Dort war gut zu erkennen, warum diese Region als Auenland
bezeichnet wird. Nur wenige hundert Meter weiter schloss sich der Kreis sozusagen und es zeigte sich, warum wir hier überhaupt Boden unter den Füßen hatten. Ohne ein
ausgeklügeltes Entwässerungssystem, bestehend aus vielen schmalen Gräben u. Kanälen sowie den dazugehörigen Pumpenstationen – an einer solchen standen wir gerade, gelänge dem Holsteiner hier allenfalls Reisanbau.
Weiter ging’s zum Mekka der Heavy Metal – Musikszene. Haben wir Vespisti die Vespa World Days, pilgern die Heavy-Metalisti einmal jährlich nach Wacken. Jeweils am
ersten Augustwochenende fallen ca. 75.000 ausschließlich schwarz gekleidete Festivalbesucher in diese beschauliche Gemeinde ein. Für die unangenehmen Begleiterschei-
nungen dieses Spektakels entschädigen sich die Einwohner de facto selbst. Vornehmlich mit dem Verkauf von Getränken sowie belegten Brötchen etc. – direkt durchs eige-
ne Wohnzimmerfenster – sollen dem Vernehmen nach durchschnittlich ca. 3.000,00 Euro Profit (Schmerzensgeld) je Einwohner erzielt werden.
Auf Wacken folgte der Nord-Ostsee-Kanal (NOK). Er erspart den Schiffen den mindestens 800 Kilometer längeren Seeweg zwischen der Nord- u. Ostsee. Mit einer Fre-
quenz von zuletzt über 35.000 Schiffen jährlich ist er die weltweit meistbefahrene künstliche Wasserstraße. Wir haben dann mit den Fähren bei Oldenbüttel und Breiholz
kostenlos über- bzw. rückübergesetzt. Unmittelbar an der Fähre Breiholz machten wir einen Imbiss-Mittagshalt. Danach fuhren wir gestärkt weiter, den NOK entlang bis
zur Lotsenstation (für Schiffe auf dem Kanal besteht Lotsenpflicht). Bei einem kräftigen Schauer haben wir dort aus unseren Autos heraus die Vorbeifahrt zweier Schiffe
beobachtet.
Nächste Station war die Rendsburger Hochbrücke, eine Stahlkonstruktion mit angehängter Schwebefähre. Diese Hochbrücke, das imposante Wahrzeichen
der Stadt Rendsburg, ist das aktuelle Projekt des Verpackungskünstlers Christo. Immerhin waren die beiden Mittelstützen zwischen denen die Schwebefähre verkehrt
schon komplett verhüllt. Allen NOK-Interessierten ist die Internetseite ‚www.nordostsee-kanal-info.de‘ empfohlen. Hier läßt sich immer mitverfolgen, welche Schiffe den Kanal gerade befahren und es gibt Webcams die Livebilder teilweise sogar in HD Qualität übertragen.
Auf dem Rückweg nach Quickborn machten wir dann noch einen Stopp in Hitzhusen bei Bad Bramstedt. Hier hat ein Storchenliebhaber über viele Jahre eine Storchenkolonie
entstehen lassen. Derzeit sind alle 37 Storchennester von Storchenpaaren belegt. Insgesamt sind in der Kolonie seit Bestehen schon 661 Jungstörche groß geworden.
Waren wir tagsüber auf zwei Gruppen verteilt getrennt voneinander unterwegs, führte uns unser gemeinsames Abschlußessen am frühen Abend beim Griechen in Quickborn
alle wieder eng zusammen. In einem gemütlich kleinen, kuschelig warmen Raum war die Stimmung bei wirklich leckerem Essen ausgezeichnet.
Im Namen aller Teilnehmer dank-
te Horst Binnig den beiden Initiatoren Dieter Schulz und Manfred Golz aber auch Manfred u. Bärbel Henning (unseren Barbecue-Gastgebern) sowie Wilfried Kröger für die
schönen, erlebnisreichen Tage.
Detlev Hirche
P. S.: Was wäre eine Vespa-MARITIM-Tour ohne ein ganz
klein wenig Seemannsgarn. Gut v-e-r-p-a-c-k-t
versteht sich. Ich bin sicher, Ihr habt es alle erkannt.
Ich danke allen Teilnehmer für die gute Laune trotz des miesen Wetters das wir gehabt haben. Mein besonderer Dank geht an Maximilian Hayer für die Produktion der limitierten Plakette