Die Einwinterung

Für den Bordmechaniker – 22. Lektion
Heft  45/1962

 

Es ist jetzt wieder einmal Zeit sich zu überlegen, was man im Winter mit der Vespa anfängt. Stellt man sie ab oder soll sie auch während der kalten Jahreszeit gefahren werden? 

Soll die Vespa im Winter abgestellt werden, macht man folgendes:

1. Den warmgefahrenen Motor durch Eingießen oder Einspritzen des gleichen Öles, das im Gemisch verwendet wird, konservieren. Es wird also entweder offenes Markenöl verwendet oder selbstmischendes 2-T-Öl. Eingespritzt wird das Öl durch den Vergaser bei laufendem Motor. Wenn der Motor dann stehen bleibt, noch 3 bis 4 mal den Kickstarter durchtreten.

2. Man reinigt den Roller gründlich. Man nimmt sich jetzt auch die Zeit, die Felgen mit den Bremstromrneln abzumontieren. Dann können auch die Stellen gereinigt und nachgesehen werden, an die man während des ganzen Jahres nicht kommt. Zeigen sich nun an den Blechteilen Rostansätze, so entfernt man diese und streicht die Kotflügel innen vorne und hinten mit Rostschutzanstrichmitteln. Da die Räder komplett abgezogen sind, ist auch die beste Gelegenheit, die Bremsbeläge, und die Bremstromrneln einmal gründlich zu reinigen. Besonders wichtig ist dies für die Vorderradbremse. Diese wird ja meistens sehr vernachlässigt, weil viele meinen, man braucht sie nicht. Benützt man dann wirklich einmal in höchster Gefahr die Vorderradbremse, versagt diese. Sie tut dies aber nicht, wenn sie immer einsatzbereit gehalten wird. Ein wirklich guter Fahrer bremst meist mit beiden Bremsen. Also nehmen wir die Gelegenheit wahr und kümmern uns beim Einwintern auch um die Bremsen. Wer dies versäumt, hat beim Auswintern meist keine Zeit, denn da eilt es ja.
3. Alle nicht lackierten Teile leicht einfetten. Die Chromteile mit Pflegemittel behandeln.

4. Den Roller so aufstellen, daß die Reifen nicht am Boden aufstehen. Zu diesem Zweck schiebt man unter das Trittbrett ein paar Holzklötze. Die Luft aus den Reifen ablassen.

5. Das Fahrzeug in einem Raum abstellen, in dem, weder Säuren gelagert noch Stalltiere gehalten werden.

6. Die Batterie bedarf auch beim eingewinterten Fahrzeug der Pflege, da diese sich im Laufe einiger Wochen von selbst entlädt. Man baut also die Batterie, aus und stellt sie in einen nicht zu kalten Raum. Alle vier bis sechs Wochen läßt man die Batterie nachladen, da entladene Batterien sulfatieren, Es genügt nicht, die Säure aus der Batterie zu entfernen. Damit sind Schäden an der Batterie noch nicht vermieden. Es ist ein­facher und billiger, alle vier bis sechs Wochen die Batterie nachladen zu lassen.
Ist eine Batterie nicht mehr in Ordnung, sei es durch Alterung oder falsche Behandlung, so ist es natürlich zwecklos, diese noch zu warten. Sie erholt sich auch durch längere Ruhezeit nicht. Vollkommen sinnlos sind auch sogenannte „Batterieverbesserer“. Solche Mittel werden leider immer wieder angeboten, halten jedoch nicht das, was versprochen wird.

Wird die Vespa im Winter nicht abgestellt, so wird diese in der kalten Jahreszeit meist nur im Kurzstreckenverkehr be­trieben. Also in der Frühe 5,.bis 15 km zum Betrieb; dort wird der Roller bis abends abgestellt, dann geht es wieder die 5 bis 15 km zurück: Durch die Jahreszeit bedingt, werden beide Fahrstrecken im Dunkeln gefahren, also wird das Fahrtlicht benötigt. Da dieses direkt als Wechselstrom aus der Lichtmaschine kommt, so wird das Fahrtlicht immer ausreichend sein. Es muß aber auch während der Fahrt die Batterie geladen werden. Hierfür bleibt beim Kurzstreckenverkehr während der Dunkelheit nicht mehr so viel Strom übrig, daß die Batterie während der Fahrt voll nachgeladen wird. Also muß die Batterie von Zeit zu Zeit durch eine Ladestation nachgeladen werden, denn an der Batterie hängt ja das Stoplicht, die Blinkleuchten und die Hupe. Dazu kommt bei der GS noch der Zündstrom. Es ist also sehr wichtig, die Batterie in Ordnung zu halten. Das muß ja bei jedem Kraftfahrzeug getan werden, sofern es mit einer Batterie ausgerüstet ist, nicht nur bei der Vespa.

Für die Fahrweise im Winter ist besonders zu beachten: Man darf dem eiskalten Motor nicht sofort höchste Kräfte abverlangen. Es ist gut, wenn der Motor einige Minuten vor dem Start im Leerlauf gelaufen ist. Aber auch dann hetzt man nicht sofort mit dem großen Gang — das ist bei den Typen, die vier Gänge haben der 4. Gang, bei denen mit drei Gängen der 3. Gang – los. In diesem großen Gang wird vom Motor die größte Kraft beansprucht, damit findet auch die stärkste Erwärmung statt. Fahren wir also mit dem 3. oder 2. Gang eine Strecke von 2 bis 3 km! Im Stadtverkehr bleibt sowieso nichts anderes übrig.
Wenn es in der Frühe auch meistens eilt, so muß man sich eben doch so einrichten, daß einige Minuten zur richtigen Behandlung des Motors übrigbleiben.
Sehr wichtig ist es, im Winter alle 100 bis 150 km Fahrstrecke einmal eine so ausreichende Strecke zu fahren, daß der Motor auf seine günstigste Betriebswärme kommt, das sind bei der Vespa GS ca. 30 bis 40 km Fahrstrecke, je nach der Außentemperatur, Damit werden Korrosionserscheinungen gemindert. Im Winter ist auch gerade die richtige Zeit, größere Überholungsarbeiten einzuplanen. Die Werkstätten haben da mehr Zeit als in der Saison. Die Arbeit kann sorgfältig ausgeführt werden. Viele Werkstätten geben bei Reparaturen im Winter Sonderrabatte.

Auch derjenige, der den Roller für die Fahrt zur und von der Arbeit benötigt, kann dann einen geeigneten Termin von ein oder zwei Tagen zugeteilt erhalten, in denen das Fahrzeug gründlich nachgesehen wird und eingetretene Mängel behoben werden. In der Zeit der Arbeitsüberhäufung kann es eben einmal vorkommen, daß der Kunde eine oder gar zwei Wochen wartet, bis er an der Reihe ist.
Wurde ein Roller gebraucht erworben, so tut man immer gut daran, diesen in der ruhigen Zeit einmal überprüfen zu lassen. Sind Sie überhaupt vorsichtig beim Erwerb eines gebrauchten Rollers! Vermeiden Sie solche Käufe auf dem Hinterhof, besonders wenn Sie den Verkäufer nicht persönlich kennen! Lassen Sie sich auch beim Kauf einer gebrauchten Vespa bei einem autorisierten Vespa-Händler beraten! Es ist eben zur Zeit ein großer Mangel an guten Arbeitskräften. Erleichtern Sie sich und Ihrem Vespa-Service das Dasein, indem Sie die Zeit des geringeren Arbeitsanfalles ausnützen!
Läßt man rechtzeitig den Roller überprüfen und in Ordnung bringen, dann sind Briefe folgenden Inhaltes überflüssig: „Seit dem Frühjahr 1958 bin ich Besitzer einer Vespa. Ich war immer sehr zufrieden mit meiner Vespa. Jedoch seit Mitte dieses Jahres ist der Wurm drin. Ich habe bis jetzt 38 000 km gefahren.“
Benützt man die Gelegenheit, so einen Roller zu überprüfen, so ist man überrascht, daß der Roller in dem Zustand, in dem er angetroffen wird, überhaupt noch läuft.
Eine Unterhaltung mit dem Besitzer gibt dann die Aufklärung, daß außer Zündkerzenwechsel, Einbau neuer Unterbrecher und Auswechseln von Seilzügen nichts Wesentliches notwendig war.
Dieses Beispiel ist zwar etwas kraß, aber durchaus nicht selten.